Abschiedsrede des Peiner Betriebsrats

Jürgen Dieckhoff zur Verabschiedung von Werner Gnieser am 14.12.01

Meine Damen und Herren, genug der Reden? Aber nein, Herr Gnieser. Es geht weiter. Stanislaus Stänkerer, der bekannte Verfasser des maßgeblichen Kommentars zum Betriebsverfassungsgesetz, hat zu Recht festgestellt, dass, ich zitiere, "die Verfassung eines Betriebes weitestgehend und in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat durch den Geschäftsführer dergestalt zu beeinflussen ist, dass der Betrieb in einer guten Verfassung ist". Zitat Ende. 

Stänkerer will damit sagen, dass der Betrieb des Rates bedarf, des Rates eines Gremiums, für das ich hier spreche.

An eine stänkende Laus im Pelz des Betriebes oder seines Führers hat der zitierte Wissenschaftler dabei nicht gedacht, auch wenn sein Name zu dieser Annahme verleiten könnte. 

Nein, lieber Herr Gnieser, Stänkerer ging von der Erkenntnis aus, dass ein Betriebsrat etwas Schönes ist, und nicht jeder kann sich etwas Schönes leisten. Folgerichtig haben wir, meine Betriebsratskollegen und ich, uns sehr gefreut, Ihnen exakt an Ihrem 50. Geburtstag einen nagelneuen Betriebsrat schenken zu können.

Sie haben sich in den Ihnen seither noch verbliebenen Peiner Jahren mit diesem Gremium nicht unbedingt befreundet, doch nahm die Lautstärke Ihrer Aufschreie von Mal zu Mal ab. Ich hebe dies hervor, weil es möglicherweise an Ihrer Wange vorbeigegangen ist. Ich betone, an Ihrer Wange.

Sie alle, meine Zuhörerinnen und Zuhörer, haben diesen radikal junggebliebenen Gnieser, diesen Extrem- 50-er, der die besten Jahre erreicht hat und nicht im Entferntesten daran denkt, das jemals zu Ändern, Sie alle haben ihn kennen gelernt. Aber haben Sie ihn auch so innig begleitet, wie wir vom Betriebsrat? Ich glaube, nein. 

Ich will Ihnen sagen, warum wir den Herrn Geschäftsführer - dieses Wort wird uns später noch eine Weile beschäftigen -, warum wir diesen unseren Geschäftsführer so sehr in unser Tun und Machen einbezogen haben. Wir waren bei einem Fortbildungsseminar, haben auf Kosten des Hauses gut gegessen und mühsam Informationen verdaut, haben, weil das Seminar in der Nähe Hamburgs stattfand, einen Reeperbahnbummel gemacht; und dabei bin ich persönlich in Gedanken immer bei Ihnen gewesen, lieber Herr Gnieser. 

Ich habe gedacht: Was muss gerade in diesem Mann vorgehen, wenn er erfährt, dass eine Sause sich anbahnt - und er ist nicht dabei und muss dieselbe trotzdem mitfinanzieren. Mein Kopf war schwer. Ich hatte mir vorgenommen, durch Mehrleistung meine Schuld abzutragen. Aber jetzt gehen Sie fort von Peine, und Herrn Forkel gegenüber, Ihrem Nachfolger, empfinde ich keinerlei Schuldgefühle. Über den habe ich ja auch noch keine Rede gehalten. An Sie aber werde ich noch lange zurückdenken. 

An Ihre Augen werde ich denken, die so gewinnend aussehen, vor allem, wenn die Gewinne steigen. An Ihren Mund, wenn er sich öffnet und offen bleibt, wenn Sie eine Sekunde dazu brauchen, das Wort "Moment mal" Über die Lippen zu bringen. An Ihre Nase werde ich denken, die so fein ist, wenn sich etwas betrieblich verändert oder wenn Sie sie Über ein Weinglas halten. Auch an Ihr von mir schon einmal gewürdigtes Kinn werde ich denken, von dem ich klammheimlich annehme, dass da ein griechischer Chirurg seine Hand im Spiel hatte. So hellenisch kann ein nordeuropäisches Kinn von Natur nicht sein.

Nach diesem eher anatomischen Bereich, den ich nur sanft streifen konnte, würde ich meine Rede jetzt gern beenden, befürchte jedoch, dass sich in den zu erwartenden Beifall der Korona der Ruf "Zugabe!" mischen wird. Deshalb mache ich gleich weiter, ist dies doch die letzte Gelegenheit, meinem Affen auf Ihre Kosten Zucker zu geben. 

Eine Führungskraft verlässt uns. Was soll das? fragte ich mich spontan, als die Kunde von Ihrem Fortgang (nicht Weggang, schon gar nicht Abgang oder Heimgang) mich erreichte. Inzwischen habe ich bei Stanislaus Stänkerer nachgelesen, Trost gefunden und mich mit Ihrer Entscheidung, die ja eine Entscheidung gegen Peine ist, was niemand hier zu bezweifeln sich erdreisten möge, abgefunden. Ich frage deshalb zum Abschied völlig wertfrei: Was ist das, eine Führungspersönlichkeit? Wo lernt man, eine solche zu sein?

Bekanntlich gibt es im hiesigen Städtchen allerlei Hundesportvereine. Ob Sie dort das Führen gelernt haben? 
Auf keinen Fall aber haben Sie die Leinenpflicht für ihre Mitarbeiter eingeführt, nein, das nun wirklich nicht. Und abgerichtet wurden diese Mitarbeiter auch nicht. Angeknurrt zuweilen, das will ich nicht verhehlen. Aber Sie haben auch nicht "Sitz" gebrüllt, wenn mal einer am Stehtisch plauderte oder kurz zu Schlecker ging. Mich jedenfalls haben Sie nie bebrÜllt. Gut so, denn auf einen Rüffel wegen zeitweiliger Abwesenheit vom Schreibtisch hätte ich Ihnen mit dem Zitat eines meiner großen Kollegen geantwortet: "Ich habe Ihnen meinen Kopf vermietet, nicht meinen Arsch." So viel zu der langen Leine eines ordentlichen Hundeführers.

Ich komme von meiner Funktion als Sprecher des Betriebsrates ab. Als Sie fragten, ob jemand aus den Reihen jenes Gremiums heute sprechen werde, schaute ich zunächst devot, wie es meine Art ist, meinen Herrn Vorsitzenden Hubert an; und der meinte, es könne ein Schriftwart, der ich bin, ruhig auch mal Redwart sein. Das war natürlich für mich ein Bruch. Schließlich war ich Schriftführer geworden, weil ich Auseinandersetzungen zwischen diesem Gremium und Ihnen voraussah. Da dachte ich in meiner schlichten Art: Ich schreibe, Hubert unterschreibt. Keine Feigheit, nein, viel eher Ausfluss meiner Bescheidenheit, die die Ihre noch ein wenig Übertrifft. 

Wenden wir uns nochmals und etwas genauer dem erwähnten Hundesport zu. Dort, bei diesen Vereinen, ist es ja so, dass die Führungsperson den Hund meistens an der Leine hält, während der Hund vorauseilt. In Ihrem Fall, lieber Herr Gnieser, waren Sie es, der voranging Ð und die Meute folgte ihnen. Ich sage nicht, sie war hinter ihner her. Aber Mitarbeiter eines Chefs sind eben nicht in der Pool-Position. Sie, die Mitarbeiter, wurden ja auch im 19. Jahrhundert zutreffend Gefolgsleute genannt.

Als selbstbewusster Betriebsrat hatte ich indessen nie den Eindruck, von Ihnen gezogen zu werden wie im Herbst auf abgeernteten Feldern ein schlapper Drachen, der erst in Bewegung gerät, wenn jemand im Schweinsgalopp vorausläuft und an der Leine zieht.

Anders war"s. Ganz anders. Allerdings nicht so, dass Sie den Betriebsrat an der langen Leine führten. Ganz und gar nicht. Es gab eine solche Leine nicht. Sie hatten nämlich, geben Sie es doch zu, keine Ahnung, was ein Betriebsrat ist, und schon gar nicht wussten Sie, was das Überhaupt alles soll. 

Wir, andererseits, wussten sehr wohl, was das soll, aber nicht, wie das geht. Wir haben uns einsatzfroh schlau gemacht. Sie hingegen mussten mehrfach in Hannover nachfragen, ob "die das eigentlich dürfen". Es bedurfte der Zeit der Eingewöhnung. 

Wir haben uns beschnüffelt, sind mal durch die verzweigten Pfade des Arbeitsrechts Gassi gegangen, haben immer weniger geknurrt und manchmal sogar mit dem Schwanz gewedelt, mal der eine, mal der andere. 
Ich spinne das jetzt nicht weiter aus. Schluss und Ende. Um den Laufzug der Hundeleine nicht zu strapazieren sage ich nur noch dies: 

Führungspersänlichkeiten stehen auf zwei Beinen, deren Gefolgsleute auf allen Vieren - wie Ihnen jeder Hundesportler bestätigen wird. Richtige Kampfhunde habe ich bei der PAZ nicht gesehen. Die hätte ich ja am Maulkorb leicht erkennen können. Ich sah Kollegen, die mir wie Möpse vorkamen, auch der eine oder andere Pinscher lief mir Über den Weg, gefolgt von dienstbeflissenen Dackeln. Einer war in meinen Augen der Jagdhund. Immer die Nase im Wind, witternd, wo Beute gemacht werden konnte und nicht bereit, Männchen zu machen. Sie waren dieser Jagdhund, lieber Herr Gnieser.

Und Sie sollen wissen, dass der Betriebsrat Ihnen für Ihre süddeutsche Tätigkeit alles erdenklich Gute wünscht. Mögen Sie dort mit ebenso viel Einsatzfreude und Erfolg tätig sein wie hier. Sie haben sich gut in Peine gehalten, Sie werden auch Hof halten.

Ich habe nun noch ein Geschenk des Betriebsrates zu Überreichen. Ich packe das mal aus, und Sie sehen, es ist eine lange Leine. Vorsorglich, nur mal so vorsorglich, habe ich für Sie, Herr Forkel, auch eine mitgebracht. Bitteschön.

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